Die Überschrift lässt ja schon schlimmes ahnen: Hier gibt es fast immer Konfliktpotenzial. Wer jetzt noch weiß, dass mein Schwerpunkt der Webradioszene gilt, blickt mit mir gemeinsam in einen tiefen Abgrund.
Notwendigkeit und Überfluss
Wir müssen verschiedene Arten von, ähem, Führungskräften unterschieden. Zunächst einmal die notwendigen: Jedes Radio braucht eine Führung, das ist unstreitig.
Dann gibt es die Führungskräfte, die eigentlich nicht nötig sind, die aber trotzdem Bestandteil der Führung sind – oder es gerne wären.
Für mich fällt das in den Bereich von Posten und Pöstchen: Es reicht ja nicht, bei einem Webradio aktiv zu sein, nein, man müsste schon einen (namhaften?) Bereich verantworten.
Was soll der Scheiß?
Entweder gibt es Aufgaben, die zu delegieren sind – und zwar an Menschen, die das tatsächlich beherrschen, oder man lässt es. Künstliche Positionen zu schaffen, um das Ego von Profilneurotikern zu streicheln, macht nur unnötig Probleme.
Von daher kann meine Forderung nur lauten: Was nicht zu führen ist, soll auch nicht geführt werden. Beschränkt euch aufs Notwendige. Delegieren kann man auch, ohne Pöstchen zu schaffen. Gute Führungskräfte wissen das und schaffen das auch ohne viel Tamtam.
Führungskraft vs. Führungspersönlichkeit
Einen Posten innezuhaben ist das eine, ihn auszufüllen das andere. Nicht jeder, der etwas verantwortet, kann das auch. Hier beginnen die wahren Probleme.
Zunächst einmal darf man von einer Führungskraft erwarten, hinter den getroffenen Entscheidungen zu stehen. Und, im nächsten Schritt, auch für das geradezustehen, was das einem unterstellte Personal an Bockmist gebaut hat.
Da wird es schon etwas schwieriger.
Für Fehler Anderer geradezustehen, ist schwierig, denn schließlich ist es schon schwer genug, eigenes Fehlverhalten einzugestehen. Und in einer verantwortungsvollen Position mit Führungsposition wiegen die Fehler Anderer fast noch schwerer als die eigenen – denn man selbst hätte die natürlich nicht gemacht, muss nun aber trotzdem dafür den Kopf hinhalten. Doof.
Im Webradio kann man da zum Glück auf ein bewährtes Mittel zurückgreifen: Man „feuert“ die betreffende Person – entweder den Untergebenen oder den Verantwortlichen.
In keinem anderen Bereich ist die Fluktuation so groß wie bei Webradios und zu allem Überfluss redet man von „Kündigung“, wo es doch mangels korrektem Vertrag gar nichts zu kündigen gibt. Aber ich weiche vom Thema ab.
Der Posteninhaber sichert sich seine Macht also durch das Feuern anderer Versager, bevor sie seine Position schwächen könnten. Dabei ist die Schwäche schon längst offen zutage getreten. Genau hier scheidet sich die Spreu vom Weizen – und die Führungskraft von der Führungspersönlichkeit.
Stärken und Schwächen
Das Webradio in Deutschland hat mehrheitlich ein Problem: Es fehlt am Personal – insbesondere am guten. Eine der Ursachen dafür dürfte sein, dass jeder Depp ein Webradio eröffnet, es aber nicht mit Inhalten und Personal füllen kann. Personal gäbe es ja im Grunde, aber weil eben jeder Chef spielen will… merkt ihr was?
Infolge dessen wird jetzt ein „Sendeleiter“ (grummel!) nahezu jeden Moderatoren nehmen, der sich bewirbt. Fährt dieser vorher schon schwache Moderator jetzt aber eine Sendung nach der nächsten qualitativ vor die Wand, dass selbst der unmoderierte Autostream noch besser wäre, wird er vom „Sendeleiter“ vom Stream genommen, damit er selber nicht in das Schussfeld des Radioinhabers gerät. Dummerweise wird dabei übersehen, dass dieser Sendeleiter den Moderator überhaupt erst auf den Stream gelassen hat – also von Anfang an für den Sendeschrott verantwortlich war. In meinen Ohren ist das genauso schlimm, wie wenn der Moderator unter der Führung des „Sendeleiters“ schlechter geworden wäre. Aufgabe eines Sendeleiters sollte es vielmehr sein, seine Moderatoren zu stärken, zu coachen – und schlechte vom Sender fernzuhalten.
Aber finde erst mal jemand, der so viel Arsch in der Hose hat. Beim Webradio schon gar nicht.
Richtig schlimm wird es dann, wenn das „vom Stream nehmen“ aufgrund vorgeschobener Argumente erfolgt. Manche Vorwürfe werden erfunden, andere Fehler werden übersehen. Schlimmer kann man sich als Führungskraft (und Vorbild?) nicht bloßstellen.
Meine Befürchtung ist, dass jeder, der schon mal Ärger mit einem Vorgesetzten beim Webradio hatte, ein Lied davon singen kann…
Es wäre sicher zu viel verlangt, wenn man von einem Sendeleiter erwarten würde, so gut (oder besser) zu moderieren wie ein ihm unterstellter Moderator. Das muss er gar nicht. Aber er sollte die Leistungen fair beurteilen und angemessen kritisieren – positiv wie negativ (falls nötig). Und dazu sollte man seine Kritik wenigstens gut begründen können, auch wenn man selber in der einen Disziplin nicht so gut ist wie der Kritisierte.
Hart durchgreifen?
Es wäre sicher ein leichtes, mit den schwachen Moderatoren auch gleich die schwachen „Chefs“ mit zu entsorgen. Aber das verschiebt das Problem nur.
Wichtiger wäre es in meinen Augen, nur die Menschen in Führungspositionen zu lassen, die gute und schlechte Moderatoren auseinanderhalten können und mit ihren Fähigkeiten das Radio wirklich nach vorne bringen.
Dazu gehört dann auch der Mut, schlechte Moderatoren von Anfang an abzulehnen, selbst wenn die Personalnot noch so groß ist. Umgekehrt kann aber auch ein guter „Chef“ Mut beweisen, jemanden senden zu lassen, der im ersten Moment nicht sendefähig erscheint, aber dann einen besonderen Kultstatus erreicht – weshalb auch immer. Gelingt das Experiment, ist der „Chef“ der Held; geht es schief, sollte er aber auch zu seinem Fehler stehen statt sich mit faulen Ausreden da rauszuwinden.
Das Thema ließe sich beliebig fortsetzen und es gibt genug mir bekannte Fälle, die Brechreiz-Potenzial haben. Doch dieser Beitrag ist eh schon zu lang.
Wer mag, darf sich gerne per Kommentar hier oder direkt bei mir melden. Diffamierungen von Webradios oder (Ex-)Betreibern hingegen finden an dieser Stelle keinen Platz. Aber für Beispiele bin ich immer zu haben – in dieser Szene lernt man täglich hinzu.
Auch wenn man glaubt, schon alles erlebt zu haben.
Ich wünsche euch immer die richtigen Vorgesetzten – und wenn ihr selber welche seid: Seid mutig, versteckt euch nicht hinter Ausreden und Lügen. Es würde eurem Radio und euch selbst schaden.
Gute Radios sind nicht zuletzt das Ergebnis einer guten Führung.
P.S. Hohe Hörerzahlen sind nicht zwingend ein Indiz für ein gutes Radio. Aber das diskutiere ich vielleicht später mal in diesem Blog.